Zwillingsschatten

(Lilly, 12 Jahre)

Als die Zwillinge Adaira und Badawulf geboren wurden, wussten sie noch nicht, dass sie einmal Herrscher werden würden. Sie waren unzertrennlich. Adaira war ein intelligentes Mädchen. Sie hatte blonde Haare und blaue Augen. Badawulf war ein sehr humorvoller Junge mit grünen Haaren. Er fand es nämlich cool sich mit Haarkreide die Haare zu färben. Sie waren 9 Jahre alt, als sie übers Wochenende zu ihrer Oma fahren sollten. Ihre Mutter fuhr sie mit ihrem schwarzen Audi, als ein Lastwagen hinten in das Auto fuhr. Als sie erwachte, fand sie sich im Krankenhaus wieder. Das erste, was sie machte, war, ihren Mann der neben ihrem Bett saß, mit Tränen in den Augen zu fragen: „Wo sind Adaira und Badawulf?“ Traurig antwortete ihr Mann: „Sie haben es nicht geschafft.“

Adaira und Badawulf waren jetzt irgendwo im Nirgendwo. Sie standen auf einer grünen Grasfläche. Links von ihnen war ein Abgrund ohne Ende – nicht dunkel, sondern als würde man in den Himmel fallen. Und rechts von ihnen stand ein blaues Schloss. Sie waren nun im Himmel. Jeder Mensch schafft, wenn er stirbt, seine eigene Welt. Sei es unter Wasser oder in einem Schneegebirge. Die Aufgabe der geschaffenen Welt ist es, den größten Wunsch des Verstorbenen zu erfüllen. Der größte Wunsch von Adaira und Badawulf war es, dass all ihre Träume in Erfüllung gehen.

Die Zwillinge gingen zum Schloss und darin angekommen wurden sie durch einen magischen Wind in ihre Zimmer geweht. In Adairas Zimmer stand ein rosa Himmelbett und ein weißer Schrank fiel ihr als erstes auf, da er voll mit rosa Glitzerkleidern war, die wunderschön aussahen. Adaira erinnerte sich, dass sie sich so ein rosa Kleid immer zum Geburtstag gewünscht hatte. Die Zimmerdecke war blau und mit Wolken bemalt. An den ebenfalls blauen Wänden hingen rosa Perlen und Schmetterlinge. Und auf dem edlen Holzparkett lag ein schöner wuscheliger rosa Teppich. Adaira setzte sich auf darauf und sah sich weiter im Zimmer um. Da entdeckte sie einen Spiegel mit einem wunderschönen rosa Rahmen und sah hinein. Plötzlich schrie sie ganz entsetzlich.

Im selben Moment schrie auch Badawulf, der ebenfalls in seinem Zimmer einen Blick in den Spiegel geworfen hatte. Zuvor hatte er sich auf das schwarz-grüne Himmelbett geworfen und sich ebenso umgesehen. Die Wände waren schwarz mit grünen Perlen, die die Form eines Drachen hatten. An einer Kleiderstange hing eine Tasche aus Wolfsfell, daneben viele schwarze Anzüge. Als er aufstand bemerkte er den weichen grünen Teppich unter seinen Füßen. Und dann entdeckte er den Spiegel mit dem schwarzen Rahmen.

Sie schrien beide. Sie waren so erschrocken, dass sie zu dem anderen liefen und fast aneinander vorbei gelaufen wären. „Ich habe mich im Spiegel gesehen, ich sah so anders aus!“, sagte Adaira. „Ich mich auch.“, entgegnete Badawulf. Adaira hatte sich im Spiegel gesehen mit blonden lockigen Haaren, ozeanblauen Augen und sie trug das wunderschöne rosafarbene Glitzerkleid. Es hatte die selbe Farbe, wie ihr Lippenstift.

Auch Badawulf hatte sich verändert. Er hatte jetzt wirklich giftgrüne Augen und ebenso grüne Augen. Er trug einen schwarzen Anzug. Ihr neues Aussehen gefiel den beiden so sehr und sie gingen aus gem Schloss heraus und spielten gemeinsam auf der Wiese.

Auch noch viele Jahre später machte es ihnen Freude auf der Wiese zu spielen und über die süßen Zuckerwattewolken zu springen. An einem warmen Nachmittag spielten die inzwischen 18jährigen Zwillinge auf einer Wolke Fangen. Die Wolke war recht groß, dennoch war es schwierig, wegzulaufen. Als Badawulf Adaira antippte, lachten beide und umarmten sich. Da verloren sie plötzlich den Halt und fielen von der Wolke.

Aber sie kamen nicht unten auf der grünen Grasfläche auf, sondern schwebten ein bisschen über dem Boden. Aus ihren Händen kamen Lichtstrahlen und auf ein Mal entstand ein wunderschöner hellblauer Fluss und am Ufer witzige bunte Häuser. Aus dem Fluss kamen Lichtstrahlen und aus diesem Licht magische Wesen. Die Wesen waren wunderschön und außergewöhnlich. Manche konnten sprechen. Sie sagten, das dies der Fluss sei, der jede Wunde heilen könne.

Aus den Häusern kamen lachende Stimmen, die immer lauter wurden. Und plötzlich kamen Menschen aus dem Haus. Sie liefen auf Adaira zu und verbeugten sich und zu Badawulf sagten sie: „Guten Tag, treuer Vertreter der Herrscherin Adaira!“ Verwundert sahen Badawulf und Adaira sich an, da bemerkten sie aus dem Augenwinkel, dass noch weitere magische Tiere auf sie zukamen. Eine Mischung aus Pferd und Pinguin sagte zu ihnen: „Adaira ist unsere Herrscherin, da sie die Erstgeborene ist.“ Badawulf antwortete: „Das ist gut so, ich könnte das sowieso nicht ernst nehmen.“, und lachte. Badawulf wollte seine Schwester gerade umarmen, da rief ein Mensch: „Stopp!“ und ein magisches Tierwesen erklärte: „Ihr habt Zwillingskräfte. Immer wenn ihr euch umarmt, werdet ihr etwas erschaffen, was ihr mir euren normalen Kräften nicht erschaffen könnt.“

Erstaunt sahen Badawulf und Adaira sich an. Sie wussten nicht dass sie besondere Kräfte hatten. Als könnte der Mensch gewusst haben, was sie dachten, sagte er: „Ja, ihr habt ungewöhnliche Kräfte, ihr müsst nur fest daran denken, was ihr machen wollt.“ Adaira schloss die Augen. Aus ihren Händen kamen rosa Lichtstrahlen und sie zauberte ihrem Bruder einen Zuckerwatte-Bart. Danach aß sie den Bart ab und lachte.

Um sich zu rächen, zauberte Badawulf seiner Schwester Schokolade ins Gesicht, nahm dann seinen Finger und kostete davon. Er musste lachen.

So vergingen ein paar Jahre, in denen die Zwillinge ihre Zauberkräfte erprobten. Eines Tages saßen sie im Schloss und versuchten einen Wolf mit einem Affen zu kreuzen. Das klappte aber nicht und Badawulf war darüber sehr verärgert. Er stritt mit Adaira. Plötzlich stand er auf und griff seine Zwillingsschwester mit seinen magischen Kräften an. Adaira reagierte zum Glück blitzschnell, doch dabei verletzte sie ihn ungewollte. Badawulf humpelte aus dem Schloss bis zum Ende der Grasfläche. Weil es keine freie Fläche mehr gab, schuf Badawulf zuerst etwas Platz und dann ließ er auf dem neu geschaffenen Stück Land Bäume und Wölfe entstehen. Zuletzt schuf er Schattenmenschen, die für ihn in Windeseile ein Schloss erbauten. Das Schloss war schwarz und hatte grüne Fenster und einen grüne Eingangstür. Unter dem Schloss befanden sich Gefängnisse.

In diesem Schloss lebte Badawulf nun ganz allein und führte mit seinen Wölfen Krieg gegen das Land seiner Schwester.

Einmal kam ein magisches Tier an die Grenze des Landes und stampfte mit seine Pfote ganz laut auf den Boden. Es war eine Mischung aus Zebra und Hund und es hatte ganz empfindliche Ohren. Es beschwerte sich darüber, dass es bei einem Kampf fiel zu laut gewesen war und stampfte so doll auf, dass ein Riss an der Grenze zum Schattenland entstand.

Adaira zauberte in diesen Riss Wasser hinein und an einer Stelle baute sie eine Brücke, in der Hoffnung, dass ihr geliebter Zwillingsbruder zu ihr zurück kommen würde. Als sie die Brücke baute, musste sie bitterlich weinen, denn sie vermisste ihren Bruder sehr.

Nach einem Jahr war das Lichtland in Trauer versunken. Da Badawulf immer wieder angriff, war Adaira dazu gezwungen, Wachen an der Grenze aufzustellen. Jeder Wolf, der angriff wurde vernichtet. Die Bewohner des Lichtlandes fragten sich, warum die Wölfe bei Badawulf blieben. Es war ganz einfach: Jeder Wolf, der nicht gehorsam war, kam in das Gefängnis unter dem Schloss und musste dort verhungern. Auch fragten sie sich, warum Badawulf so böse geworden war. Aber die Antwort darauf kannte nur Adaira. Sie wollte es aber nicht sagen, denn sie war selbst mit Schuld daran und bereute es bitterlich. Schließlich nahm sie all ihren Mut zusammen und schlug mit ihrem Schlägel auf die Pauke, die sie immer schlug, wenn sie alle Menschen und magischen Tierwesen herbeirufen wollte.

Adaira stand nun also auf dem Balkon und wartete auf ihr Volk. Als alle da waren verkündete sie: „Mein liebes Volk, ihr fragt euch alle, warum Badawulf, mein geliebter Bruder und guter Vertreter so böse geworden ist.“ Sie blickte nach unten und unterdrückte ihre Tränen. „Es ist so, mein liebes Volk, dass……“, Sie machte eine kurze Pause, nahm ihren Zeigefinger und wischte sich die Tränen von der Wange.

Und dann platzte es aus ihr heraus: „Wir sind beide schuld. Ich bin schuld daran, dass mein Bruder so etwas wie ein Monster ist.“ Adaira fing bitterlich an zu weinen. Da flog ein magisches Tierwesen auf den Balkon, tröstete sie und flüsterte ihr ins Ohr: „Warum? Erzähl es uns!“

Adaira sah zu dem Tier auf und lächelte. „Mein Bruder hat einen Wolfsfellsplitter im Herzen.“ Das Volk wunderte sich. Warum Wolfsfell? Und als könne Adaira ihre Gedanken lesen, antwortete sie:“ Ihr fragt euch sicher, warum Wolfsfell…..Es ist so: Wir haben mit unseren Zwillingskräften experimentiert und wollten einen Wolf mit einem Affen kreuzen. Das ging schief. Dabei ist ein Wolfsfellsplitter in sein Herz gekommen. Das erklärt auch, warum uns Wölfe angreifen.“

Adaira sah vom Balkon hinunter und erwartete böse Blicke, Aber nein, das Volk jubelte ihr zu. Dieser lautstarke Jubel brachte ihr Zuversicht und sie fragte: „Wie sollen wir den Splitter ent….“ Ihre Rede wurde durch einen lauten Ruf unterbrochen. „Alle Wölfe sind besiegt!“, rief der Mann weiter.

Die Bewohner des Lichtlandes liegen zur Grenze. Und es stimmte: alle Wölfe waren vernichtet. Badawulf hatte den Ruf auch gehört und erschien ebenfalls an der Grenze. Als er all die toten Wölfe sah, war er schockiert. Doch anstatt ebenfalls entsetzt zu sein, wie ihr Bruder, weinte Adaira Freudentränen. Sie weinte vor Freude, weil sie ihren Bruder wieder sah. Doch Badawulf blickte ihr böse ins Gesicht und sprach: „Ich habe das alles hier erschaffen, damit ich mein eigenes reich habe in dem ich herrschen kann.“

Doch plötzlich schwebte Badawulf hoch in die Luft. Das geschah, weil alle Wölfe besiegt waren. Aus seiner linken Brust kamen Lichtstrahlen und ein Wolfsfellsplitter riss sich aus seiner schmerzenden Brust und zerbrach. In diesem Moment fiel Badawulf hinab auf die Erde.

Nach einer Minute des Stillschweigens stieß Adaira einen lauten Schrei aus und befahl einem Wächter, ihren Bruder zu dem Fluss zu bringen, der jede Wunde heilt.

Als Badawulf in den Fluss gelegt wurde, kam ein Lichtpunkt aus seinem Mund. Es war der Lichtpunkt des Lebens im Himmel. Wenn dieser Lichtpunkt nicht wieder zurück in seinen Körper kommen würde, dann würde Badawulf für immer verschwinden. Er wärde dann einfach nicht mehr da.

Alle warteten und sahen gespannt zu dem Lichtpunkt.Doch dieser sank zurück in Badawulfs Mund. Er öffnete seine Augen, stand auf und fiel seiner Schwester weinend in die Arme. „Ich habe sie gesehen. Sie sagten, dass sie stolz auf uns wären und dass wir nun unser eigenes Traumland haben würden.“

„Wen hast du gesehen?“, fragte Adaira. „Unsere Eltern“, antwortete Badawulf.

So war der Frieden wieder eingekehrt. Das Schattenland gab es nicht mehr. Nur noch ein vollendetes Traumland, in dem die glücklichen Zwillinge zusammen herrschten.