Kapitel 1
Es war mieses Wetter in Golden City. Dunkle Wolken zogen über den Himmel und es schüttete in Strömen. Der sonst so staubige Boden war jetzt aufgeweicht und matschig. Plötzlich durchzuckte ein Blitz den Himmel. Für einen Moment konnte man die Umrisse eines Reiters erkennen. Dann grollte der Donner.
Während dessen war im Saloon von Golden City die Hölle los. Unzählige Männer saßen an Tischen, tranken einen Whisky, spielten Karten oder unterhielten sich lautstark. Der Barkeeper hatte alle Hände voll zu tun, um alle zu bedienen.
Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen und ein Mann trat herein. Die Gespräche verstummten und alle Blicke ruhten auf ihm. Er hatte die Hutkrempe tief ins Gesicht gezogen und den Kragen seines Mantels hochgeschlagen. Tropfen fielen von seiner Hutkrempe und kamen mit einem leisen Platsch auf dem Boden auf. Seine Kleidung war völlig durchnässt. Er schaute sich kurz um. Dann lief er mit festen Schritten in Richtung Tresen und bestellte sich einen Whisky.
Langsam kamen die Leute im Saloon aus ihrer Starre. Der Mann setzte sich an einen Tisch an dem ein junger Mann in ungefähr seinem Alter saß. Als er sich gesetzt hatte, sagte er: „Hi, Jimmy. Wollte dich mal wieder besuchen. Hab‘ gehört, der Sheriff wurde entführt!“ „Tja, John, das weiß ganz Golden City seit drei Tagen.“ erwiderte Jimmy lässig.
„Das ist schlecht!“, meinte John. „Die Entführer hatten Zeit, sich einen Unterschlupf zu suchen und jetzt wischt der Regen auch noch die Spuren weg!“ „Stimmt!“, rief Jimmy während er aufstand. „Also lass uns so schnell wie möglich aufbrechen.“
Jetzt stand auch John auf und lief zum Tresen um zu bezahlen. Die zwei Männer traten hinaus in den Regen. Nach kurzer Zeit waren ihre Pferde mit Essen, Trinken, Kochgeschirr und zusammengerollten
Decken beladen.
Die beiden Männer saßen auf und John rief in den scheinbar undurchdringlichen Regen: „Wir finden euch noch, ihr hinterlistigen Banditen!“ Und dann ritten sie los. Der Matsch schmatzte unter den Hufen der Pferde, die mit ihren Reitern langsam die Stadt verließen. Hinter ihnen blinkten die Lichter der Kerzen, die in den vielen Fenstern von Golden City standen. Kein Mensch war zu sehen. Nur die zwei Reiter, die über den schlammigen Boden ritten …
Während dessen ritten vier Reiter – einer von ihnen gefesselt – durch die endlos wirkende, matschige Steppe.
Leise unterhielten sich die drei, so dass der Gefesselte nicht mithören konnte: „Wie geht´s jetzt weiter?“ fragte Wayne. „Ja, was fragst du mich? Du bist hier der schlauste!“ rief Joe.
„Okay, dann bestimme ich halt wie´s weiter geht!“ antwortete Wayne empört: „Seht ihr die Farm da hinten? Da reiten wir jetzt hin und fragen, ob wir da übernachten können!“
Gesagt, getan. Als die vier Reiter an der Farm ankamen, stiegen der frisch ernannte Anführer und Joe von ihren Pferden und der Anführer klopfte an die Tür. Gleichzeitig führte Eddy sein Pferd und das vom gefesselten Sheriff hinter das Haus.
„Wer ist da?“ fragte eine tiefe Stimme hinter der Tür. „Wir!“ antwortete Wayne. Die Tür ging langsam einen Spalt weit auf und der Farmer kam zum Vorschein. Er hatte einen Hut auf dem Kopf und einen Dreitagebart: „Was wollt ihr hier!“ schnauzte der Farmer sie an.
„Können wir hier übernachten?“ fragte Joe. Plötzlich hörte der Farmer ein leises: „Mpf!“ hinterm Haus. „Was war das?“ fragte der Farmer die zwei Männer. Aber statt sich noch die Antwort anzuhören, lief er hinter das Haus.
Was ihn dort erwartete ließ ihm den Mund offen stehen: Ein Mann saß gefesselt und geknebelt auf seinem Pferd und sagte schon wieder: „Mpf!“. Wayne und Joe waren mit ihren Pferden dem Farmer gefolgt.
Dem Farmer wurde heiß und kalt zugleich. Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Wer sind diese Männer? Was haben sie vor? Warum war dieser Mann gefesselt und geknebelt?
Und kannte er diesen Mann? Er glaubte das Gesicht zu kennen. Aber woher?
Da riss ihn eine Stimme aus seinen Gedanken: „Dürfen wir jetzt hier schlafen oder nicht?“ „Ähm…“, stammelte der Farmer. „Was jetzt?“, fragte Eddy. „Ähm, also…“, stammelte der Farmer schon wieder. Doch dann fand der Farmer seine Fassung zurück: „Was wollt ihr hier?!“, rief er laut. „Das geht dich gar nichts an.“, meinte Wayne seelenruhig, während er mit seinem Revolver spielte.
Da bekam es der Farmer mit der Angst zu tun und er ging, ohne weiter zu fragen, schnell wieder in sein Haus.
Als er weg war, berieten sich die Banditen leise im Regen: „Also, ich als Anführer sage: Wir übernachten in der Scheune!“, meinte Wayne. „Wir sind einverstanden!“, sagten Eddy und Joe.
Dann stiegen sie auf und ritten im Schritt langsam in die Scheune.
Sie hatten nicht bemerkt, dass der Farmer sie durch ein offenes Fenster belauscht hatte.
Zusammen bauten die drei Banditen aus Heuballen eine kleine Box für die Pferde und legten den immer noch gefesselten Sheriff hinter ein paar Ballen. Sie fütterten die Pferde und gaben ihnen zu trinken. Zufrieden schnaubten die Pferde.
Dann aßen sie Dosenbohnen und tranken aus ihren Wasserflaschen. „Bekommt der Sheriff eigentlich auch etwas ab?“, fragte Eddy überraschend. „Hm …“, überlegte Wayne. „Sonst kriegen wir ja gar kein Lösegeld.“, fügte Eddy noch schnell hinzu.
„Gut!“, meinte Wayne, nachdem er kurz nachgedacht hatte. „Aber du fütterst ihn!“, befahl er. Eddy schnappte sich eine Dose und ging zum Sheriff. Joe folgte ihm. „Warum folgst du mir?“, fragte Eddy ihn und fügte noch hinzu: „Ich habe nichts zu verbergen!“
„Der Boss hat gesagt, ich sollte aufpassen, dass der Sheriff nicht rumbrüllt.“, grummelte Joe. So gingen die zwei zum Sheriff. Als sie da waren, zog Joe seinen Colt, richte ihn auf den Sheriff und sagte: „Ein Mucks und es knallt!“. Angesichts dieser Drohung nickte der Sheriff und Eddy nahm ihm den Knebel ab.
Mit einem leisem „Flopp!“ öffnete Eddy die Dose und löffelte dem Sheriff ein paar Bohnen in den Mund. Doch Plötzlich nieste der Sheriff. „Still!“ schnauzte Joe ihn an, und fuchtelte mit seinem Revolver vor seiner Nase. Als Joe damit fertig war, schaufelte Eddy weiter die Bohnen in den Mund des Sheriffs. Bis auf das schmatzen des Sheriffs und das prasseln des Regens hörte man eine ganze Weile nichts. Als nach ein paar Minuten verkündete dass die Dose jetzt leer wäre, bat der Sheriff noch um Wasser. Was er dann auch bekam.
Nachdem er auch keinen Durst mehr hatte, holten die Banditen ihre Decken von den Pferden und legten sich ins Stroh. „Morgen müssen wir früh raus Jungs!“, fing Wayne an. „Wir wollen ja noch den Zug erwischen, oder?“. „Ja, aber wir müssen doch noch den anderen Bescheid geben!“, rief Joe. „Tja, da hast du mal wieder Recht.“, bestätigte Wayne bescheiden.
„Aber wie bloß …?“, überlegte er nun laut. „Äh, Boss, wir könnten doch einen Brief schicken!“, rief Eddy aufgeregt. „Ja in der Tat, das könnten wir.“, meinte Wayne prahlerisch. „Das einzige Problem ist, das ich nicht schreiben kann.“ fügte er schnell noch leiser hinzu.
„Aber Chef, ich kann doch schreiben!“, meinte Eddy eifrig. „Weiß ich doch selbst!“, schnauzte der Boss ihn an. Da hatte Eddy echt einen wunden Punkt erwischt. Doch es gab noch ein Problem: „Aber wir haben doch gar kein Papier!“, mischte sich jetzt auch Joe ein. „Ja, dann klauen wir halt was. Oder hast du schon vergessen, dass wir Banditen sind?!“, fragte Wayne spöttisch.
„Und wo sollen wir klauen?“, fragte Eddy nachdenklich. „Ja was denkst du denn?“, rief Wayne lachend. „Natürlich beim Farmer!“
Die drei gingen in Richtung Scheunentor. Da fiel Wayne noch etwas ein: „Einer muss beim Sheriff bleiben!“, rief er. „Eddy, du machst das!“, befahl er. Eddy kehrte um und lief zu den Strohballen. Dort angekommen gähnte er erstmal ausgiebig, dann sagte er in einem gelangweilten Ton: „So, jetzt ist der Sheriff bewacht und ihr könnt gehen.“ Das taten sie dann auch.
Leise schlichen Wayne und Joe zum Haus des Farmers. Joe drückte langsam die Klinke runter. „Mist! Die ist abgeschlossen!“, raunte er Wayne zu.
„Dann klettern wir halt durchs Fenster!“, antwortete der. Gesagt, getan. Die beiden schlichen ums Haus und tatsächlich, ein Fenster stand offen!
„Du machst mir eine Banditenlei… äh, ich meine eine Räuberleiter und ich steige ein!“, befahl Wayne leise.
Ächzend hob Joe Wayne hoch und er quetschte sich schwerfällig durch das Fenster.
Da Joe größer und deutlich schlanker als Wayne war, stützte er sich flink auf das Fensterbrett und behände wie ein Wiesel huschte er durch das Fenster. Drinnen angekommen sah er erstmal gar nichts. Erst nach ein paar Sekunden erkannte er etwas. Direkt vor ihm stand ein Stuhl und er wäre hinein gelaufen, wenn Wayne ihm nicht kurz davor zu gezischt hätte: „Achtung, Stuhl!“.
Also machte Joe einen großen Bogen um den Stuhl und stand vor einem riesigen Sekretär. „Guck mal, was ich gefunden hab!“, flüsterte Joe Wayne zu. Wayne erkannte nur ein klobiges Ding, kam aber trotzdem zu ihm. Als er neben Joe stand, kramte der schon in der linken Schublade. Nun machte sich auch Wayne an der rechten Schublade zu schaffen. Und fand auch gleich etwas: „Hier ist eine Feder und Papier!“, jubelte er. „Ich hab nur ein Tintenfass gefunden.“, meinte Joe ein bisschen traurig. „Ist egal. Lass uns verduften!“, antwortete Wayne leise. Und so stiegen sie wieder aus dem Fenster. Erst Joe, dann Wayne. Schnell liefen sie durch den jetzt nachlassenden Regen in die Scheune.
„Habt ihr was gefunden?“, fragte Eddy, an einen Strohballen gelehnt. „Jep!“, antwortete Joe.
„Aufstehen!“, befahl Wayne auch schon. Eddy sprang auf und fragte Wayne: „Kann ich loslegen?“ Wayne drückte Eddy das Papier in die Hand und rief: „An die Arbeit!“. Eddy legte los und nach kurzer Zeit, stand auf dem Blatt:

„Super!“, rief Wayne. „Jetzt müssen wir nur noch auf die Postkutsche warten!“
„Äh, Boss, können wir jetzt erst mal schlafen?“, fragte Eddy.
„Ja.“, sagte Wayne müde. Doch das bekam Eddy nicht mehr mit, da er schon eingeschlafen war.
Währenddessen ritten Jimmy und John durch die matschige Einöde.
Am Horizont ging die Sonne unter.
Die Hufe der Pferde trafen im gleichen Rhythmus auf und immer wenn sie gehoben wurden, schmatzte es.
Nirgendwo war ein Mensch zu sehen.
Nur zwei Reiter, die zeitweise sprachen. So wie jetzt.
„Hey, Jimmy, ich glaub‘ wir finden die heute nicht mehr.“, befürchtete John.
„Stimmt!“, antwortete Jimmy und fragte noch: „Wo schlagen wir unser Lager auf?“
„Siehst du den Baum mit dem vertrockneten Gebüsch da hinten? Ich würd‘ sagen, da übernachten wir!“, sagte John nachdenklich.
Die zwei stiegen ab, banden die Pferde an den Baum und bauten ihr Zelt auf. Sie sammelten ein paar trockene Zweige, um ein Feuer zu entzünden.
Dann fütterten sie die völlig erschöpften Pferde.
Als sie auch das geschafft hatten, aßen sie ein paar Bohnen und legten sich danach in Decken gehüllt auf den Boden. Das Feuer knisterte leise während sie sich unterhielten.
„Jimmy, ich glaube, dass die Banditen den Zug nehmen um zur nächsten Stadt zu kommen.“
überlegte John. „Also reiten wir morgen zum Bahnhof.“, folgerte Jimmy. „Genau!“, stimmte John zu.
Dann schliefen sie ein.
Als John und Jimmy am nächsten Morgen aufwachten, hatte es aufgehört zu regnen.
Die Sonne spiegelte sich in den Pfützen. Ein lauwarmer Wind wehte sanft über die Prärie.
Es war schon recht warm für diese Tageszeit. Das merkte auch Jimmy: „Hey John! Es ist jetzt schon ziemlich warm. Ich glaub‘ heute sollten wir Wasser sparen!“ „John.
Also tranken sie nur spärlich, gaben den Pferden aber so viel Wasser wie immer.
Dann stiegen sie auf und ritten langsam weiter.
Auch in die Scheune in der Wayne, Joe, Eddy und der Sheriff geschlafen hatten, blitzten nun die ersten Sonnenstrahlen des Tages.
Verschlafen rieb sich Eddy die Augen. Dann lief er zu Wayne und Joe und weckte sie.
Als sie wach waren, fragte Eddy: „Soll ich den Sheriff wecken?“ „Ja! Und du Joe machst essen!“ befahl Wayne. Er machte es sich auf seiner Liege aus Stroh gemütlich und schaute den anderen bei der Arbeit zu.
„Schneller, schneller! Wenn ihr so langsam seid wie Schnecken kriegen wir den Zug nie!“ meckerte Wayne.
Nach kurzer Zeit hatten die beiden „Schnecken“ ihre Aufgaben erledigt.
Sie setzten sich ins Stroh und aßen Dosenbohnen.
Da fiel Wayne etwas ein: „Eddy, du kümmerst dich um den Sheriff. Sieh zu, dass er etwas in den Bauch bekommt, wir wollen ja nicht, dass er uns vom Pferd fällt.“ befahl Wayne ohne eine Miene zu verziehen.
Eddy stand auf, ging zum Sheriff und nahm ihm den Knebel ab.
Joe stand wieder neben ihnen, den Revolver fest in der Hand.
Nach einer Weile war der Sheriff satt.